Umstrittener Körperschmuck: Die Mehrheit der Deutschen findet Tattoos bei anderen Menschen zwar schön, bevorzugt aber untätowierte Haut, wie eine Umfrage zeigt. Je mehr Tätowierungen, desto schlechter waren dabei die Bewertungen. Am wenigsten schön bewerteten die Befragten Gesichtstattoos. Überdurchschnittlich stark akzeptiert und für gut befunden wird der Körperschmuck selbst in stärkerer Ausprägung allerdings von Tätowierern und Menschen, die selbst tätowiert sind.
Tätowierungen schmücken heute schätzungsweise bis zu jeden vierten Menschen auf der Welt. Zwar stechen sich Menschen mit Nadeln bereits seit Jahrtausenden Farbe unter die Haut, wie Funde aus Ägypten und die Gletschermumie Ötzi bezeugen. Doch in Deutschland und anderen westlichen Ländern erlebte die Körperkunst erst in den 1950er Jahren einen Aufschwung – bis hin zum Boom der „Arschgeweihe“ und anderen Motiven in den 1990er Jahren. Seither genießen Tattoos auch bei uns eine breite Akzeptanz, wenn auch nicht unbedingt am Arbeitsplatz. Aber finden wir tätowierte Menschen eigentlich grundsätzlich schön?
Von Kopf bis Fuß verziert
Dieser Frage ist ein Team um Selina Weiler von der Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg nachgegangen. Dafür fotografierte das Team je ein weibliches und ein männliches Model mit temporären Klebe-Tattoos auf der Haut. Die Fotos zeigen die Models in Unterwäsche und ohne, mit wenigen, einigen, vielen oder extrem vielen Tattoos. Im letzten Schritt „tätowierten“ die Forschenden die Models auch im Gesicht. Die Motive zeigten natürliche, geometrische und von Tieren inspirierte Designs, ohne Schriften und religiöse oder politische Texte.
Die Fotos der so verzierten Models zeigten die Forschenden dann 487 Testpersonen unterschiedlichen Alters aus Deutschland, darunter Laien und professionelle Tätowierer sowie Menschen mit und ohne eigenen Tattoos. Die Probanden sollten anhand einer siebenstufigen Skala bewerten, wie schön sie die dargestellten Personen fanden.
Gesichtstattoos findet kaum jemand schön
Das Ergebnis: Insgesamt am besten schnitten die Porträts gänzlich ohne Tätowierungen ab. Die meisten Testpersonen bevorzugten untätowierte Haut, fanden die in Maßen tätowierten Models aber durchaus auch schön. Allerdings: Je mehr Tätowierungen, desto schlechter waren die Bewertungen. „Die wahrgenommene Schönheit der Reize nahm mit zunehmender Tätowierung ab“, berichtet das Team. Am wenigsten positiv oder ästhetisch bewerteten die Befragten Menschen mit Tattoos im Gesicht.
Demnach werden Tattoos zwar akzeptiert, aber nur begrenzt für schön befunden. Doch nicht alle Testpersonen waren gleich kritisch. So stuften beispielsweise jüngere Menschen Models mit extrem vielen Tattoos als schöner ein als ältere Befragte über 50 Jahren. Bei den Bildern mit noch mehr oder weniger Tätowierungen zeigte sich hingegen kein Alterseffekt.
Wie zu erwarten, waren Menschen, die selbst tätowiert sind, etwas weniger kritisch: Sie fanden die Models zwar ebenfalls umso schöner, je weniger Tattoos diese trugen. Sie bewerteten aber die Models mit vielen und extrem vielen Tattoos besser als untätowierte Menschen. Professionelle Tätowierer fanden sogar Models mit Gesichtstattoos schöner als Nicht-Experten. Die Akzeptanzgrenze hinsichtlich der bedeckten Hautfläche liegt demnach bei diesen Personengruppen höher als in der Durchschnittsbevölkerung.
Schönheit liegt im Auge des Betrachters
Weiler und ihre Kollegen schließen daraus, dass Tattoos heute weitgehend kulturell akzeptiert sind. Die Tätowierungen faszinieren oder schocken nicht mehr, sondern werden von den meisten Deutschen durchaus als schön empfunden. Doch wie ästhetisch wir Tätowierungen im Einzelfall finden, liegt im Auge des Betrachters. „Das Ausmaß der Tattoo-Bedeckung verändert die ästhetische Wertschätzung menschlicher Reize, wobei die Reaktionen je nach Alter und sozialen Normen, Tattoo-Status und Fachwissen variieren“, erklärt das Team.
Dass nach wie vor unbemalte Haut als am schönsten gilt, könnte auch an der dann ungestörten Symmetrie des menschlichen Körpers liegen, vermuten Weiler und ihre Kollegen. Denn Symmetrie ist für unser Schönheitsempfinden maßgeblich. Folgestudien sollen nun klären, ob die Beobachtungen auch für andere Tattoo-Motive gelten und ob es weitere Bevölkerungsgruppen gibt, die den Körperschmuck überdurchschnittlich gut finden. (PLOS ONE, 2024; doi: 10.1371/journal.pone.0313940)
Quelle: PLOS